Adventsgedanken vom 24.12.2023

Ein Heiliger Abend

Nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen erfüllt Gott.
Dietrich Bonhoeffer

„Schatz, das wird heute nichts. Ihr könnt nicht kommen. Wir sind alle krank. Magen-Darm. Es tut uns leid. Trotzdem: Frohe Weihnachten.“ Mit diesem Telefonat begann der Heiligabend für mich im Jahr 2006. Eigentlich wollten mein Mann und ich gerade ins Auto steigen und zu meinen Eltern fahren. Ein langer Arbeitstag mit Krippenspiel und Christvesper lagen hinter mir. Ich hatte mich auf einen besinnlichen Abend im Kreise der Familie gefreut. Weihnachtsbaum, Lieder singen, Bescherung, Würstchen und Kartoffelsalat. Genau in dieser Reihenfolge. Wie jedes Jahr. Und am ersten Weihnachtstag dann Gänsebraten. Und jetzt? Unser Kühlschrank war leer. Der Brotkorb auch. Wir hatten nichts eingekauft. Warum auch, wir wollten schließlich erst zwischen den Jahren wiederkommen. Ich war hochschwanger mit meinem ersten Kind. Achter Monat. Und ich war hungrig.
Wir zogen Jacken und Stiefel an und machten uns auf die Suche. Irgendein Restaurant würde doch wohl offen haben. Aber egal wo wir hinkamen, alles war zu. Der Grieche, das kleine vietnamesische Lokal, sogar der Döner-Laden hatte geschlossen. Feiertag! Ich kam mir vor wie Maria und Josef auf der Suche nach einer Herberge. Immerhin einen Unterschied gab es: Wir hatten ein Zuhause. Dahin würden wir jetzt wieder gehen. Irgendwo im Schrank gab es sicher noch Nudeln mit Tomatensoße. Kurz bevor wir wieder daheim ankamen, hörten wir Musik. Die kleine Eckkneipe hatte offen. Vorsichtig steckten wir den Kopf durch die Tür. Am Tresen zwei traurige Gestalten vor ihren halbvollen Biergläsern. Und die Wirtin. Sie strahlte uns an, als hätte sie nur auf uns gewartet: „Frohe Weihnachten, wollen sie was essen? Ich habe Klöße, Rotkohl und Rouladen vorbereitet und Tiramisu zum Nachtisch.“ Ob wir was essen wollten? Auf jeden Fall. Diese Frau schickte der Himmel. Hosianna! Am Ende haben wir alle zusammen gegessen, die Wirtin, mein Mann, ich und die beiden Gestalten, die übrigens kein bisschen traurig waren. Es wurde ein wunderbarer Abend. Er war nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, aber er war das Beste, was uns passieren konnte.

Pia Baumann

In der Agentur des Rauhen Hauses Hamburg ist von dieser Autorin erschienen:
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